Seit über 50 Jahren repariert Frank Timmann analoge Olympus-Kameras – erst als Servicetechniker beim Hersteller, dann als selbstständiger OM-Doktor.
Klack, ratsch, surr – die mechanischen Geräusche analoger Kameras sind dem leisen Piepen des Autofokus und meist elektronischen Auslösetönen gewichen. Klar, Digitalfotografie bietet Amateuren und Profis enormen fotografischen Spielraum. Trotz dieses Fortschritts begeistern sich auch heute noch viele Menschen für die feinmechanischen Vorfahren moderner Kameras. Fast 25 Jahre nach meiner letzten analogen Spiegelreflex geht es mir ähnlich. Auf der Suche nach einem unkomplizierten Wiedereinstieg in die traditionelle Fotografie empfiehlt mir ein lokaler Händler Kompaktkameras von Olympus. Da funktionstüchtige Modelle auf dem Gebrauchtmarkt schwer zu finden sind, verweist er mich an Frank Timmann. Der sogenannte OM-Doktor repariert, überholt und verkauft die analogen Kameras des japanischen Herstellers.

„Ja, den kenne ich gut“, antwortet das Hamburger Original, als ich den Namen des Düsseldorfer Händlers nenne. Frank Timmann ist schnell in seinem Element. In der heimischen Werkstatt repariert er seit 1996 alte, gebrauchte Kameras. Ausschließlich von Olympus – kompakte wie auch die Spiegelreflexmodelle der OM- und PEN-Serien. Zuvor hatte der gelernte Feinwerkmechaniker nämlich fast 30 Jahre als Servicetechniker für den japanischen Kamerahersteller gearbeitet. „Ich kenne jedes Bauteil beim Vornamen“, schafft er Vertrauen in seine Expertise und empfiehlt mir zwei Kameras: Die automatische Trip 35 sei günstig und unkompliziert in der Anwendung. Die Olympus 35 RD lasse sich vollständig manuell bedienen. Ich entscheide mich für erstere. Bis auf vier Entfernungsbereiche gibt es an der vollautomatischen Kamera keine nennenswerten Einstellungsmöglichkeiten, sodass sich die analoge Fotografie hier auf das haptische und akustische Gefühl beschränkt. Der Film wird über ein Daumenrad weitertransportiert, der Auslöser klickt so, wie man es erwartet. Am Ende muss die Filmrolle händisch zurückgespult werden.
Rückkehr in die analoge Welt
Auch wenn ich die Kamera seitdem auf jeder Reise mitführe, muss ich mich anfangs immer wieder selber daran erinnern, sie auch zu benutzen. Denn die digitale Fotoausrüstung habe ich nach wie vor (vielleicht zu oft) griffbereit. So gibt es durchaus Situationen, in denen ich einen Ort erneut aufsuche, um auch ein analoges Bild von einer bestimmten Szene zu machen. Ein weiteres Learning ist die Auswahl der Motive. Die ursprüngliche Idee, jeden Tag – sozusagen als Routine – genau ein analoges Bild zu machen, verwerfe ich schnell. Immer öfter denke ich während der digitalen Fotografie darüber nach, welche Aufnahmen ich auch auf Film bannen möchte. Der vielleicht schönste Teil des analogen Prozesses ist für mich die Vorfreude auf die entwickelten Bilder. Schließlich vergehen hier je nach Nutzung Wochen, bis der der Film voll ist, und weitere Tage, bis das Labor ihn entwickelt hat. Die fertigen Bilder sind entweder weniger gut als erhofft oder überraschend schön. In jedem Fall rufen sie aber Erinnerungen hervor, die ich stilecht in ein Fotoalbum einsortiere.

Zwei Jahre später möchte ich diesem Nebenprojekt etwas mehr Raum widmen und wende mich erneut an den OM-Doktor. Schließlich gibt es da noch die Olympus 35 RD mit der manuellen Bedienung und einer besseren Lichtstärke. Da ich beruflich zufällig nach Dänemark reise, verabrede ich mich auf dem Rückweg mit ihm, um mir das gute Stück anzusehen. „Ich habe gerade drei davon hier. Da mach ich Ihnen die schönste fertig“, freut er sich über das Interesse. Der Besuch gibt mir Gelegenheit, mehr über ihn und seine Arbeit zu erfahren.
Personalnummer 11
Als einer der ersten Mitarbeiter begann Frank Timmann 1967 seine Arbeit in der damals noch sehr kleinen Europazentrale von Olympus. Sein Ausbilder war kein Geringerer als Yoshihisa Maitani, der als Chefkonstrukteur die Kameras jener Zeit entwickelte. So geht auch das 1972 eingeführte OM-System (Olympus Maitani) auf den Erfindergeist des Japaners zurück. Im Laufe der Jahre gab Frank Timmann sein technisches Wissen und die Erfahrung in Schulungen weiter: „So durfte ich viele Fotohändler in ganz Deutschland kennenlernen.“ Auch Fotografen habe er in allen technischen Belangen unterstützt. „Ich war nie ein Künstler, aber ich konnte Künstlern erklären, wie die Kamera funktioniert.“

Im Zuge einer Umstrukturierung bei Olympus schlug Frank Timmann Mitte der 90er-Jahre vor, den Service um eine weitere Person zu verstärken. Der verantwortliche Division Manager war dagegen: „Man muss die Erwartungen der Kunden nicht übertreffen.“ Diese Aussage war ein derartiger Widerspruch zum Berufsethos des leidenschaftlichen Servicetechnikers, dass er sich umgehend entschied, Olympus zu verlassen. Nach einer kurzen beruflichen Auszeit, die er mit seiner Familie auf den Philippinen (dem Heimatland seiner Frau) verbrachte, erkundigte sich ein Kölner Fotohändler nach seinem Verbleib. „Ich versicherte ihm, dass ich eine durchaus fähige Serviceabteilung bei Olympus hinterlassen habe“, erinnert sich Frank Timmann. Nun müsse er sich neu orientieren. Der Händler hatte eine bessere Idee: „Besorg dir einen Gewerbeschein. Ich werde dein erster Kunde.“
Die Geburt des OM-Doktors
Dieser und andere gute Kontakte in den Handel gaben Frank Timmann die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen. Fortan reparierte er wieder die Kameras von Olympus-Kunden aus ganz Deutschland – mit derselben Hingabe und Kundenorientierung wie bei seinem früheren Arbeitgeber. Kurze Zeit später erlangte er den „Doktortitel“: Zu Beginn der Selbstständigkeit war Frank Timmann in einem Nebenjob tätig. „Auf der dortigen Weihnachtsfeier fragte ein Kollege, was ich immer an den Kameras herumdoktere.“ Damit war der Name gesetzt.

Auch mit 83 Jahren denkt der OM-Doktor nicht daran, seine Praxis aufzugeben. Olympus-Kameras zu reparieren und ein neues Leben einzuhauchen, ist für ihn mehr als eine Arbeit, die er aus dem Effeff beherrscht. Es sei eine Berufung, die er durch Yoshihisa Maitani gefunden habe. „Die Kunden haben ein Problem. Sie bringen uns ihre Kamera. Und dann kommen wir, um das Problem zu lösen“, gibt Frank Timmann dessen Worte wieder. Dieser Servicegedanke erfülle ihn nach wie vor: „Eine voll funktionstüchtige Kamera zu verschicken, ist der schönste Teil meiner Arbeit.“